WIRTSCHAFT

Nachhaltigkeitsbericht: Bürokratiemonster oder Chance?

Mittelstandsunternehmen unterliegen ab diesem Jahr der Berichtspflicht

Deutsche Unternehmen sollen ab diesem Jahr mit der Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts Auskunft über ihre Leistungen im Hinblick auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung geben. So sieht es eine EU-Richtlinie vor, die durch nationale Gesetze verpflichtend wird. Bislang mussten nur Großunternehmen einen solchen Report vorlegen. Mit dem Jahr 2024 betrifft dies aber auch alle Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Sie müssen im Jahr 2024 für das Fiskaljahr 2023 einen entsprechenden Report vorlegen. Damit wird der Nachhaltigkeitsreport zu einem Pflichtthema des Mittelstandes. Viele Unternehmen haben noch nicht erkannt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Der Artikel erklärt die wichtigsten Eckpfeiler und zeigt auf, was man beim Nachhaltigkeitsbericht beachten muss.

Die Vorbehalte sind nicht von der Hand zu weisen: Ein weiteres bürokratisches EU-Monster nistet sich in dem Verwaltungsapparat unserer Unternehmen ein. Das kann man so sehen. Aber das Thema enthält durchaus auch Chancen für die Unternehmen. Dass nachhaltiges Wirtschaften zu einem gesellschaftlichen Wert geworden ist, der Kaufentscheidungen prägt, der Akzeptanz für Unternehmen und deren Arbeitsplätze schafft, ist unbestritten. Und dass Unternehmen so wirtschaften müssen, dass sie ihr Geschäft auch noch mittel- und langfristig betreiben können, ist Allgemeingut. Nachhaltigkeit hat also auch etwas mit Selbsterhaltung zu tun.

Nachhaltigkeit umfasst mehr als Ökologie

Die Idee der Nachhaltigkeitsreports ist Transparenz – nach innen und außen. Wie bei der jährlichen Bilanz sollen sich Stakeholder ein Bild über die Unternehmenspolitik unter dem Aspekt nachhaltigen Wirtschaftens machen können. Dabei spielen nicht nur ökologische, sondern auch soziale und kulturelle Aspekte eine Rolle.

Das macht schon deutlich, dass es für die Nachhaltigkeitsberichte kein starres Berichtswesen geben kann, wie dies bei einer Bilanz der Fall ist. Bevor ein Unternehmen an das Erstellen eines Berichts geht, muss es die für sein Geschäftsfeld relevanten Nachhaltigkeits-Aspekte identifizieren. Nur diese finden Eingang in den Bericht.

Danach gilt es, konkrete Nachhaltigkeitsindikatoren zu bestimmen. Diese betreffen die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), dazu können auch Daten über den Beitrag des Unternehmens zu Themen wie Klimawandel, Menschenrechte, Arbeitspraktiken und Lieferkettenmanagement gehören.

Für die konkrete Umsetzung schreibt der Gesetzgeber ein grobes Raster vor, das einzuhalten ist. Es folgt den drei Themen: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung:

Im ersten Teil des Reports macht das Unternehmen allgemeine Angaben, etwa zur Governance und Strategie. Anschließend folgen separate Blöcke zu den drei Bereichen:

Block E: Umwelt. Er gibt Auskunft über Themen wie:
-Verwendung von Ressourcen, hier müssen konkrete Projekte und deren Umfang benannt werden (Scopes)
-Energieeffizienz, Klimawandel, Kohlenstoffemissionen, biologische Vielfalt, Luft- und Wasserqualität, Entwaldung und Abfallmanagement

Block S: Soziales. Hier werden Themen behandelt wie:
-Förderung der Kultur im Unternehmen und der Gesellschaft
-Inklusivität, Gender und Diversität, Mitarbeiterengagement, Kundenzufriedenheit, Datenschutz, Privatsphäre, Beziehungen zum Gemeinwesen, Menschenrechte und Arbeitsstandards

Block G: Unternehmensführung. Er behandelt Themen wie:
-Aufbau und Umgang mit internen Systemen zur Unternehmensführung, Governance-Regeln und Verfahren zur Kontrolle und Prävention
-Führung des Unternehmens, die Zusammensetzung des Vorstands, die Vergütung der Führungskräfte etc.

Kennzahlen als Problem

Eine kreativ-analytische Aufgabe kommt auf die Autoren eines Nachhaltigkeitsberichts in der ersten Runde zu: Hier werden individuell die Parameter festgelegt, die für das jeweilige Unternehmen relevant sind. Ist dieses Raster aufgebaut, wird es in den nächsten Jahren im Wesentlichen beibehalten. So ergibt sich, wie bei einer Bilanz, ein Überblick über die Entwicklung des Unternehmens unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Soweit die Idee der Gesetzgeber. Das Problem: Diese Parameter müssen mit einem Zahlenwerk unterfüttert werden. Nur so lassen sich Entwicklungen auf der Zeitachse ablesen. Und damit tun sich viele Unternehmen schwer. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens PWC haben 73% der mittelständischen Unternehmen beim “Gewinnen, Verarbeiten und Analysieren der Datenpunkte” gravierende Probleme.

Hilfe bieten u.a. die Industrie- und Handelskammern an. Sie haben Schulungen und zertifizierende Lehrgänge in ihr Programm aufgenommen. Es kann sinnvoll sein, dort Mitarbeiter ausbilden zu lassen. Sie können dann die operative Umsetzung des Nachhaltigkeitsberichts übernehmen. Alternativ kann man extern Hilfe holen. Nachhaltigkeitsmanager führen durch den Prozess und stellen sicher, dass die Vorgaben eingehalten werden.

Wer also den Nachhaltigkeitsbericht nicht allein als Pflicht versteht, nutzt ihn zur Positionierung seines Unternehmens und macht ihn so zum Teil der Unternehmenskommunikation. Unter dem Aspekt des Fachkräftemangels und zur Information von Investoren, Partnern oder Anlegern wird der Nachhaltigkeitsbericht in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
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Autor Michael Pilzecker ist Unternehmensberater und zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager, er betreibt in Köln eine eigene Agentur

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